SALE-Night

Anna Kathrin

Ich war zum ersten Mal bei einer SALE Night und zwar von Peek & Cloppenburg. Und ich kann nur sagen, ich bin restlos BEGEISTERT! Nicht weil ich einen Kleinlaster voll Schnäppchen abgesahnt habe und meine Kreditkarte glüht, sondern weil das Erlebnis gleichsam Freude und pure Fassungslosigkeit in mir hervorgerufen hat und mich kurzzeitig an den Rand eines Überlebenskampfes gedrängt hat.

Man muss sich eine gut organisierte SALE Night, also den Beginn des wahlweise Sommer- oder Winterschlussverkaufs, den es ja offiziell GAR NICHT mehr gibt, so vorstellen: Das Kaufhaus schließt zur normalen Uhrzeit, damit die bedauernswerten Angestellten, die es an diesem Tag eben getroffen hat, das Haus innerhalb von einer halben Stunde in eine SALE-Night-Shoppingoase verwandeln können. Alles was zu Bruch gehen könnte wird beiseite geschoben, Kleidungsstücke werden mit roten Fähnchen etikettiert, es werden Bars aufgebaut, die augenscheinlich das Shoppingerlebnis durch einen kühlen Drink verschönern sollen. Der Verdacht liegt allerdings nahe, dass sie tatsächlich der Abkühlung der  zu späteren Stunde vollkommen überhitzten Frauen dienen sollen, um den Kreislauf einigermaßen stabil zu halten. Es werden extra Kassen an verschiedenen Standorten aufgebaut und junge Damen werden mit mit silbernen Tabletts, auf denen kleine Schokoladentäfelchen liegen, an den Rolltreppen platziert. Das Kaufhaus verzehnfacht kurzerhand die übliche Anzahl breitschultriger Security Männer und dann kann es auch schon los gehen:

Punkt 20:30 Uhr öffnen die Türen und die kauffreudige Kundschaft stürmt, mit ihren Einladungen fröhlich winkend, hinein ins Paradis. Sofort trennt sich an dieser Stelle die Spreu vom Weizen. Die Schnäppchen Jägerrinnen der Profiliga, die sich monatelang nichts mehr gekauft zu haben scheinen, brechen aus dem Pulk aus, versorgen sich bei der Schokofrau mit ihrem Energizer für heute Abend und stürzen sich auf alles, was als rotes Zettelchen aus den Kleiderständern, Regalen und Tischen hervorragt. Die andere Sorte, zu der ich mich gesellt habe, studiert konzentriert die Legende an der Rollstreppe um erstmal in Seelenruhe zu sondieren wo jetzt genau eigentlich was und welche Marke zu finden ist. Ah ok, mir gehört Etage 2. Ich hatte mir für meine erste Shopping-Night einen Plan zurecht gelegt, um nicht als blutige Anfängerin aufzufallen und mir gezielt zwei Kleidungsstücke ausgesucht, die ich kaufen wollte: Bluse und Polo-Shirt. Also ab in Etage 2. Hier ist noch alles schön leer. Der Hauptteil der Meute scheint noch das Erdgeschoss zu räumen. Ich schlendere durch die Abteilungen, finde ,,ah wie schön!“ Mein Poloshirt und ,,ach daaaaa!“ meine Bluse. Prima! Jetzt nur nicht den entscheidenden Fehler machen und weiter nach Schnäppchen suchen!… Hab ich dennoch gemacht und es bald bereut, denn die Profis sind mir gefolgt und bald war auch diese Etage restlos überfüllt. Die Ellbogen werden langsam ausgefahren und die Damen an der Bar öffnen mit zunehmender Frequenz die Wasser- und O-Saftflaschen. Ich dränge mich trotzdem noch ein bisschen durch die Menschen und höre plötzlich ein lautes „kliiirrrr“, „kliiing“, „krrrrschhh“. Das war einer der Auslagentische. Den Glastisch hatten sie offensichtlich vergessen zu evakuieren.

Es wird Zeit, die Sachen anzuprobieren. Ich suche eine Umkleide, doch was ich dort finde, sind Männer! ,,Ups!“ Zuerst denke ich, ich habe mich in der Abteilung vertan, doch dann entpuppt sich diese Versammlung als Zusammentreffen abgestellter Ehemänner, die sich zusammen getan haben, um in dieser Aufbewahrungsstelle gemeinsam auf ihre Frauen zu warten. Dieses Ereignis scheinen die Veranstalter zu kennen, denn es stehen viele Stühle und Sitzgruppen bereit, damit die Männer wenigstens etwas haben, worauf sie sitzen können. Ich probiere erfolgreich meine zwei Kleidungsstücke an und mache mich auf den Weg zur Kasse. Ich habe genug, wirklich. Jetzt ist es richtig voll im Kaufhaus, die Frauen laufen mit aufgerissenen Augen durch die Gänge, kein Blick für die Konkurrenz, kein Blick für Hindernisse, sie sehen nur rot, rot, rote Rabattschilder. Ich bin froh, dass ich einen kühlen Kopf behalten und nur gekauft habe, was ich mir vorgenommen hatte. Und dennoch stehe ich gemeinsam mit einigen anderen glühenden Frauen um halb elf an der Bar und trinke erst eine, dann die zweite Flasche Wasser und jetzt bin sogar ich dem Veranstalter wirklich, wirklich dankbar, dass er diesen Frischwasserbrunnen bereit gestellt hat. Ich kann nicht mehr… Schöne, anstrengende SALE Night! Ich komme wieder!


Comments are closed.